Warum wir deutsche Marken noch viel mehr unterstützen sollten

10. Dezember 2020 / Tarané Yuson / #supportyourlocalbrands #werbebranche

Weihnachtsgeschenke dürften in diesem Jahr vor allem online gekauft werden. Der größte Profiteur steht bereits fest – Amazon. Aus Sicht von Tarané Yuson ist das ein Problem. Denn lokale Brands fallen so oft unter den (Gaben)-Tisch. Warum es sich für Agenturen lohnt, deutschen Markenprodukten mehr Aufmerksamkeit zu widmen, erklärt die Chefin der Hamburger Beauty- und Lifestyle-Agentur YeS Ideas in ihrem Gastbeitrag für HORIZONT Online.

Kennen Sie die Geschichte von Vincent Honrodt, der seit 2009 die Familientradition seines Urgroßvaters, einst Direktor der Zuckerfabrik Vossberg, weiterführt und edle Brände aus regionalem Getreide und Zuckerrüben brennt? Oder haben Sie schon einmal von Nermin Çelik gehört, die für ihre Cola-verrückten Kinder eine eigene Version des beliebten Getränks kreierte, das frei von von gängigen Zusatzstoffen, Zuckercouleur und Phosphorsäure ist?

Das sind nur zwei von vielen faszinierenden Markenstorys, die auf der Website der Deutschen Manufakturenstraße beziehungsweise im Deutschen Manufakturenführer erzählt werden. Es sind Geschichten voller Herzblut und Leidenschaft, aus denen Marken mit Seele geboren wurden. Bei den eingangs erwähnten handelt es sich um Berliner Brandstifter und Glam Cola. Daneben gibt es Hidden Champions wie Rotter Glas, Theresienthal und Schramm Betten, bei denen alte Traditionen auf mutige Erben treffen, die heute ihre eigene Geschichte schreiben. Diese Marken sind wahrscheinlich nur einer kleinen Zielgruppe von Genießern und anspruchsvollen Konsumenten ein Begriff. Es gibt jedoch auch populäre deutsche Marken wie Babor, Montblanc, Nivea, Nomos Glashütte, Sonor, Roeckl, Steiff und Thonet sowie jüngere Beispiele wie Lemon Aid und Mykita.

Einige von ihnen haben aus Deutschland heraus die Welt erobert. Andere wurden zwar von internationalen Konzernen gekauft, besitzen aufgrund ihrer DNA aber immer noch die Strahlkraft deutscher Ingenieurs- und Handwerkskunst und haben ihren Hauptsitz weiterhin in Deutschland. Angesichts dieser beispiellosen Krise, in der sich die deutsche Wirtschaft gerade befindet, sollten wir diese Marken viel stärker unterstützen. Diese Forderung ist nicht ganz uneigennützig. Natürlich sollen Tradition und Handwerkskunst weiter existieren. Es geht aber auch darum, dass unsere Branche diese schwere Zeit überlebt. Und das funktioniert nur, wenn wir lokalen Marken verstärkt unser Augenmerk schenken.

Wenn wir Werber und Marketingverantwortliche eines aus dem Corona-Jahr lernen können, dann, dass es in der Krise nicht nur auf die beste Performance-Strategie ankommt, sondern vor allem auf Vertrauen. Und das schenken die Konsumenten eher einem Traditionsprodukt oder einer Manufaktur, die Produkte und Marken mit Liebe kreiert.

Vertrauen, also Trust, wird das bekannte Fünf-P-Prinzip im Marketing – Product, Price, Place, Promotion und People – dauerhaft ergänzen. Zu diesem Ergebnis kommt die globale PR-Agentur Edelman in ihrem aktuellen Trust Barometer. Demnach hat sich Vertrauen als fundamentale Triebkraft für den Kauf von Marken herausgestellt. Mehr als die Hälfte der Verbraucher würden Marken kaufen, denen sie vertrauen, heißt es in der Studie. Im Gegenzug dazu erwarten sie von Marken, dass sie zu gesellschaftlichen Fragen Stellung beziehen.

Glam Cola tut das, indem sie zu 100 Prozent auf Fruchtsüße setzt und komplett auf Zutaten tierischen Ursprungs verzichtet. Das Getränk ist halal, kosher, vegan und damit das zeitgemäße Getränk schlechthin für eine diverse Gesellschaft. Berliner Brandstifter hat sich dem Thema Regionalität verpflichtet. Die Chefin von Nomos Glashütte, Judith Borowski, positioniert sich ganz klar gegen Rechtspopulismus. Die junge Berliner Brillenmarke Mykita verbindet präzises Handwerk mit neuen Technologien und ist damit ein Paradebeispiel, dass deutsche Handwerkskunst und internationale Innovationskraft sehr gut Hand in Hand gehen können. Kurzum: viele deutsche Marken vereinen die Vorteile einer weltoffenen Gesellschaft mit dem, was sich Verbraucher heute am meisten wünschen: Vertrauen.

Wenn es einen Wert gibt, den man am ehesten Deutschland zuordnet, dann ist es Vertrauen. Hier liegt so viel Potenzial, auf dem wir aufbauen können. Und das Schöne: Es gilt für alle Branchen und Produkte. Nehmen wir zum Beispiel den Beauty-Bereich: K-Beauty, also Produkte aus Korea, liegen voll im Trend, weil sie als besonders experimentierfreudig und innovativ gelten. Aber: GBeauty ist schon eine ganze Weile ein fester Begriff und bedient – na was wohl? – den Aspekt Vertrauen! Beauty-Produkte aus Deutschland genießen nicht zuletzt bei den Performancegetriebenen US Zielgruppen hohes Vertrauen – siehe Babor.

In jeder deutschen Marke steckt eine Story, die es wert ist, erzählt zu werden und die dem Verbraucher in diesen unsicheren Zeiten ein Stück weit Vertrauen schenkt. Wir sollten es nicht allein den Algorithmen von Amazon, Google, Facebook und Co überlassen, den Menschen irgendeine Story aufzutischen. Wir müssen uns selbst um die großen Markengeschichten kümmern! Das bedeutet nicht, dass wir das Rad zurückdrehen sollten. Das würde auch gar nicht funktionieren, aber Performance und Marke müssen viel stärker Hand in Hand gehen. Zuletzt machte es eher den Anschein, dass sich alles nur noch um Ersteres dreht.

Support Your Local Brands! Weihnachten steht vor der Tür und viele werden sich mit einer Extra- Portion Konsum für die zurückliegenden Corona-Monate und den abgesagten Winterurlaub entschädigen wollen. Der Black Friday ließ den Umsatz bei den Online-Händlern bereits explodieren und zeigt, dass von einer Konsummüdigkeit der Deutschen keine Rede sein kann. Sehr zur Freude von Amazon & Co.

Roeckl-Handschuhe und Steiff-Stofftiere können inzwischen zwar auch dort erworben werden, noch besser wäre es jedoch, direkt bei lokalen Manufakturen und deutschen Unternehmen auf Shoppingtour zu gehen – wenn schon Corona-bedingt nicht vor Ort im Laden, dann doch wenigsten in deren Online-Shop oder auf weniger weltbeherrschenden Plattformen. Für Fortgeschrittene gibt es mit rocketgermany.de inzwischen sogar ein Portal, bei dem alle angebotenen Produkte nicht nur „Born in Germany“, sondern auch „Made in Germany“ sind. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

(veröffentlicht am 10. Dezember 2020 in der Horizont)




Weitere Artikel…